DJ Hubee und die 90er Jahre im Cooky’s  – Melting Pot und „Sexy M.F.“ auf dem Dancefloor

DJ Hubee und die 90er Jahre im Cooky’s – Melting Pot und „Sexy M.F.“ auf dem Dancefloor

Januar 28, 2023 1 Von Holger Werner

Sonntagsmorgens, Anfang der 90er Jahre, an einem Tisch im Bistro des Cooky´s. Sven Väth, Stephan Müller, Andre Engert, Pauli Steinbach und Hubee Held diskutierten bei einem Absacker über die aktuelle Weltpolitik. Zusammenkünfte der Frankfurter DJ-Garde gab es in den frühen Morgenstunden seinerzeit häufiger im Club am Salzhaus 4. Ein Nightlife-Spot, in dem ein wild-durchmischtes Publikum feierte, angezogen von der einzigartigen Atmosphäre und dem eklektischen Dance-Sound auf der Tanzfläche. Diese hatte lange Zeit Hubee mit seinen DJ-Skills fest im Griff. Wie es dazu kam, was er dabei so alles erlebte und was Prince u.a. damit zu tun hat, ist defintiv eine Zeitreise wert.

Von der HipHop-Kultur angefixt

Als Volker „Cooky“ Dahl im Jahr 1978 seinen Club eröffnete, ging Hubertus „Hubee“ Held noch in Mainz zur Grundschule. Wie viele andere auch, wurde er bereits früh mit Funk, Soul und Rap konfrontiert. Im Rhein-Main-Gebiet konnte man sich dieser Musik aufgrund der überall stationierten US-Streitkräfte praktisch nicht entziehen. Der Bruder eines Schulfreundes spielte außerdem in einer Funkband und hatte Schallplatten zuhause. Darunter eine von Grandmaster Flash.

Noch fehlten damals ein Schallplattenspieler und weitere Technik. Aber Hubee, fasziniert vom Stil des US-DJs, mixte im Alter von 12 Jahren mit Tapedecks Tracks ineinander. Zwei Jahre später landete er dann auf der Realschule zufällig in derselben Klasse wie Fedor „Can2“ Wildhardt, einem heute noch sehr bekannten und aktiven Graffitikünstler. Angekommen in der richtigen Posse, wurde das ganze zum Selbstläufer und Hubee fing an, Schallplatten zu kaufen.

Erste DJ-Gigs im Mainzer KUZ

Ausgestattet mit einem „Bruns“-Plattenspieler, fasste er über ein Praktikum bei Montanus (damaliger Buch und Schallplattenhandel) und etwas Geduld in der lokalen Szene schließlich Fuß und begann mit 18 Jahren im KUZ aufzulegen. „Meine erste aufgelegte Platte war ‚Can You Party‘ von Royal House. Der Übergang zum Song davor war mir super gelungen. Doch plötzlich war die Musik aus und keiner wusste warum. Bis mir dann auffiel, dass ich genau diese Platte, die ich kurz davor noch reingemixt hatte, einfach gestoppt und wieder runtergenommen hatte. Das war natürlich extrem peinlich.“ Nach einem guten Start und regelmäßigen Gigs stellte sich aber relativ schnell heraus, dass die von ihm im KUZ gespielte Musik beim Publikum immer weniger Anklang fand. Hubee: „Ich wurde von Gästen teilweise mit Eiern und Tennisbällen beworfen, einmal flog sogar ein Messer in meine Richtung.“

Einige Schallplatten aus Hubees Sammlung.

Bereits während seiner Zeit im KUZ fuhr er mit den „coolen Leuten“, die er u.a. dort kennenlernte, nach Frankfurt ins Cooky´s. Dort lernte er dann ziemlich schnell den damaligen Resident-DJ Heinz Felber kennen. „Ich habe ihn direkt nach den richtigen Nummern gefragt und Heinz hat gemerkt, dass ich Ahnung hatte, da war sofort gegenseitiger Respekt und Sympathie da.“ Und so wurde Heinz Felber praktisch eine Art Mentor für Hubee.

1989 gelang Felber ein wahrer Coup mit dem von ihm produzierten Hip-House-Klassiker „Let There Be House“. Darauf rappte der US-Amerikaner Derrick „Deskee“ Crumpley, der damals in Frankfurt stationiert war und im Funkadelic auflegte. Der Track landete prompt auf Platz 1 der amerikanischen Dance Charts.

Es dauerte jedoch fast zwei Jahre bis Felber dem Newcomer Hubee die große Bühne im Cooky´s überlies. Und es brauchte dafür einen Abend in Mainz, bei dem ihn Hubee auf einer großen Party, für die er Felber als Gast-DJ buchte, quasi an die Wand spielte. „Ich glaube an diesem Abend hat es bei Heinz geklickt und er hat endgültig realisiert, dass ich das Zeug für den Job habe.“ Neben Heinz Felber legten um 1991 noch Angelika Hefner und Stephan Müller im Cooky´s auf. Es war eine Zeit, in der ein Stilwandel und Generationenwechsel kurz bevorstanden bzw. sogar schon im Gange waren. „Es war einfach unglaublich spannend damals. HipHop, Techno, Acid Jazz, New Soul und Breakbeat, es kamen so viele neue Dinge mit denen wir experimentieren konnten und auch irgendwie mussten.“

Während seiner Ausbildung in Mainz und seinen ersten eigenen Abenden im Cooky´s (sonntags), begann Hubee mehr und mehr Platten zu kaufen. Vordergründig bei WOM auf der Zeil oder bei Boy Records in Wiesbaden, wo er mit dem damaligen Geschäftsführer und DJ Nicky Sprenger zusammenkam und mit dem er für knapp zwei Jahre den Laden in Frankfurt gemeinsam schmiss. Dort lernte er zwangsläufig andere DJs kennen und tauschte sich regelmäßig mit Ihnen aus.


DJ Hubee @Cooky’s, 10.09.1994 – Seite A
DJ Hubee @Cooky’s, 10.09.1994 – Seite B

Musikalischer Gemischtwarenladen

Seine Vorliebe für Black Music trat zwar in den folgenden Jahren nie so ganz in den Hintergrund, aber es zeichnete sich früh ab, dass Hubee zum „House-Nerd“ avancierte. Der Zeitraum zwischen 1988-1996 war wohl eine der spannendsten Club-Phasen rund um die Frankfurter Hauptwache. Während sich viele Clubs im Laufe der Zeit auf einen bestimmten Stil spezialisierten, lobte Hubee das Publikum im Cooky´s für seine Toleranz und Aufgeschlossenheit.

„Als ich eines Tages im Delirium Platten kaufen war, wurde ich von Mark Spoon (Markus Löffel, † 11. Januar 2006) angesprochen. Er kannte meinen Stil und wollte mich für seinen neuen Club ‚XS‘ als Resident-DJ haben. Ich habe damals sehr lange überlegt, hätte dann aber nur noch House Music gespielt. Die Zeit im Cooky´s war damals einfach zu spannend, da sich viele Sachen vermischten. Jazz, Soul, HipHop und House, dazu ein Publikum was immer wieder kam und im Cooky´s eine Art Zuhause vorfand. Über einen Zeitraum von vielleicht fünf Jahren waren wir einer der besten Gemischtwarenläden in Frankfurt.“

Statt Hubee wechselte dann übrigens der Frankfurter DJ Joe Jam vom Funkadelic ins XS, das sich damals gerade einmal 800 Meter entfernt in einem Keller vom Schauspiel Frankfurt befand.

Barfrau Kerstin zog sich für den Playboy aus

Der kleine Club platzte an Wochenenden aus allen Nähten. Zusätzliche Werbung brauchte es da nicht. Dann sprach sich jedoch plötzlich herum, dass das Herrenmagazin Playboy zu Besuch war, um eine Barfrau im Cooky´s zu fotografieren. Unter dem Titel „Happy Hour“ wurden Ende 1992 Deutschlands schönste Barfrauen abgelichtet, unter ihnen auch die attraktive Kerstin, die schon länger die Blicke der Cooky’s-Gäste auf sich zog. Kurz nach dem Bekanntwerden dieser Geschichte sowie der Veröffentlichung des Magazins bildeten sich an Wochenenden noch längere Schlangen an der Kasse, da jeder einen Blick auf die Barfrau erhaschen wollte.

Erste Produktionen und illustre Gäste

Zu einem schon bestehenden Netzwerk aus Freunden gesellten sich im Laufe der Zeit einige Produzenten und Prominente, die regelmäßig ins Clubleben eintauchten. Zu Ihnen gehörte u.a. Frank Farian, der mit der Gruppe Boney M. über 150 Millionen Platten verkaufte. Er kam regelmäßig ins Cooky´s, um sich inspirieren zu lassen. Hubee legte ihm dann im Plattenladen alle zwei Wochen immer angesagte Clubtracks zur Seite. So entstand eine Zusammenarbeit mit dem Hit-Produzenten. „Ich habe damals einen fünfstelligen Betrag bekommen, weil ich an zwei Songs auf einem seiner HipHop-Alben mitgewirkt habe.“

Ab 1995 legte Hubee dann sechsmal die Woche im Cooky´s auf. Der Club hatte täglich geöffnet und bot im Bistro warme Küche bis nach Mitternacht an. Die Wochenenden teilte er sich in der Regel mit Stephan Müller, der im Anschluss an seine Zeit dort im King Kamehameha Club an den Plattentellern stand.

Stephan Müller und Hubee

Zum großen Stammpublikum zählten im Cooky´s aber nicht nur „Everyday People“, sondern auch teilweise skurrile Gestalten. Oftmals kehrten ältere Ehepaare und Prostituierte mit samt ihrer Entourage aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel ein. Diese kamen meist am frühen Morgen nach getaner Arbeit und sorgten nicht nur für ordentlichen Umsatz, sondern auch für einen ganz speziellen Vibe auf der Tanzfläche.

„Irgendwann stand nachts ein Lude vor mir und wollte eine extrem langsame Nummer hören, um mit seinem Mädel zu tanzen. Obwohl sie nicht richtig gepasst hat, habe ich sie dann doch irgendwie eingebaut. Er hat mir dann vor Freude nicht nur direkt einen ‚Hunni‘ in die Hand gedrückt, sondern auch seine Knarre bei mir abgelegt, die ihn beim Tanzen störte. Da war ich leicht geschockt und habe sie direkt in einer Schublade verschwinden lassen. Nach dem Song hat er sie dann wieder abgeholt.“

Prince und Jamiroquai feiern im Cooky‘s

Das Cooky´s war in den frühen 90er Jahren bekannt für Motto-Partys mit angesagten House-DJs (u.a. Boris Dlugosch, Todd Terry, Little Louie Vega), coole Konzertabende (u.a. House of Pain, Digital Underground, The Pharcyde, Kid Frost) und ein aufgeschlossenes Publikum, dass mit abrupten Stiländerungen nie ein größeres Problem hatte. So kam es eines Nachts, dass es sich Weltstar Prince nach einem Konzert in Frankfurt überraschend mit einigen Bandmitgliedern im Bistro bei Nudeln bequem machte und nebenbei gespannt auf den Dancefloor blickte.

„Plötzlich machte sich ein Bodyguard mit einem White Label (Testpressung) vor mir breit und forderte, dass ich das laufende Tapedeck stoppte. Als ich das tat, wollte er zusätzlich, dass ich das Kabel aus der Steckdose ziehe, um sicher zu gehen, dass ich keine Chance hatte, den Track aufzunehmen. Während Prince dann vor mir zu seinem eigenen, noch nicht veröffentlichten Song ‚Sexy M.F.‘ tanzte und schaute, wie er ankam, stand der Bodyguard hinter mir und kontrollierte das Geschehen. Das war schon ein ziemlicher cooler Moment.“

Doch nicht nur Prince feierte im Club am Salzhaus. Auch Guns n’Roses-Bassist Duff McKagan legte nach einem Konzert der Band spontan gemeinsam mit Hubee auf. Und der damals noch unbekanntere Sänger Jamiroquai griff nach einer Show in Frankfurt noch zum Mikrofon und feierte bis spät in der Nacht ausgelassen mit den Gästen auf der Tanzfläche. Ebenfalls mehrfach zu Gast waren Wrestler der WWF, darunter der weltbekannte Wrestler und Schauspieler Bret Hart, der dem Club im Anschluss an seinen Besuch regelmäßig Postkarten an Weihnachten schickte, um sich für den tollen Service in Frankfurt zu bedanken.

Als sich neue Clubs in Frankfurt entwickelten und neue Stars die Bühne betraten, empfand Hubee das Miteinander als großes Plus in der Mainmetropole. „Familie mag vielleicht etwas abgedroschen klingen, aber DJs anderer Clubs kamen regelmäßig ins Cooky´s um uns für unsere Arbeit Respekt zu zollen. Es entstanden damals Freundschaften, die teilweise noch bis heute Bestand haben. Und dass man sich nach stundenlangen, exzessiven Partynächten noch früh morgens zu gemeinsamen Absackern an der Bar traf, dürfte der größte Beleg dafür sein, dass das Cooky´s seinerzeit für viele ein ganz spezieller und sehr gemütlicher Ort zum Feiern war.

Abschied vom Cooky´s und dem Nachtleben

Ende der 90er Jahre kam es dann aber doch noch zu einem überraschenden Wechsel für Hubee. Er verließ das Cooky´s nach knapp zehn Jahren und legte im gegenüberliegenden U60311 noch für einen kurzen Zeitraum straight House auf. Der Club sollte damals als eine Art Nachfolger für das 1998 geschlossene Omen dienen, wurde dieser Rolle aber nie gerecht. Als Teil der Labels Wackside und Brickhouse produzierte Hubee u.a. mit Mike Rödiger (Ruhe in Frieden „big Mike“), Benjamin Hart und Marco Sönke die Tracks „Turtle Funk“ und „I´ll Get Over You“ und bastelte mit Ihnen Compilations und Remixe für „Yello“ und Robbie Rivera. Außerdem hielt er regelmäßig auf der Winter Music Conference in Miami die Fahne für Frankfurt hoch.

„Ich habe die Zeit in Frankfurt sehr genossen, war dort praktisch 15 Jahre Fulltime-DJ. Davon konnte ich schon ganz gut leben. Ich gehörte zu vielleicht fünf DJs in ganz Deutschland, die seinerzeit vom New Yorker House-Label Strictly Rhythm bemustert wurden, das war für mich eine große Anerkennung.“


Fotocredits: Hubertus Held / Holger Werner / Alexander Antonakis


Mehr aus dem Frankfurter Nachtleben:

Live aus dem Frankfurter Dorian Gray: Rare Tapes (1983-92) – von Freestyle bis Techno

Club Privé: Zeitzeugen erzählen Geschichten über das Frankfurter Vogue

Club Maxim, Karlstraße 17: Wildstyle im Frankfurter Banhofsviertel

Riz Bar, Frankfurt: Sonntagspartys im Rotlichtviertel