„Máquina de Vénus“ von Blacksea Não Maya: Batida-Sound im Lockdown

„Máquina de Vénus“ von Blacksea Não Maya: Batida-Sound im Lockdown

Oktober 17, 2020 0 Von D. Reviol

Ein Gastbeitrag von D. Reviol

Wer an portugiesische Musik denkt, denkt an Fado. Dessen Schwere und Schwermut durchziehen auch das neue Album von Blacksea Não Maya. Dabei hat das DJ-Trio aus Lissabon seine Wurzeln in einer anderen Tradition. Mit “Máquina de Vénus“ hat es nun ein beängstigend gegenwärtiges Werk geschaffen.

Generationen afrikanischer Einwanderer zog es ab Mitte der 70er Jahre aus Staaten wie Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, Kap Verde und Principe nach Portugal. Besonders in Lissabon und den armen Randbezirken der Metropole ließen sich die Menschen aus den ehemals portugiesischen Kolonien nieder – im Gepäck: die Musik und Tänze ihrer Heimatländer. Wie Kuduro, schnell und verspielt. Wie Kizomba. Oder den verwandten Tarraxinha, getragen, sinnlich, erotisch.

Afrikanische Tradition trifft auf Lissabonner Clubkultur

Als Batida-Sound haben diese traditionellen Klänge in der afro-portugiesischen Clubmusik längst eine neue Heimat gefunden. Dort treffen sie auf raue House-Musik und Techno aus den Ghettos Lissabons. Ein musikalischer Clash, auf den sich Principe Disco spezialisiert hat. Der jüngste Release des Labels ist „Máquina de Vénus“ von Blacksea Não Maya.

Hinter dem Projekt stecken die Brüder DJ Noronha und DJ Kolt sowie ihr Freund DJ Perigoso. Das gerade einmal 26-minütige „Máquina de Vénus“ ist ihre erste Veröffentlichung unter Blacksea Não Maya seit Ende 2015. Kälte durchzog schon damals ihren Mix aus angolanischen Percussions und elektronischer Tanzmusik. Zugleich strotzte die 2015er EP „Calor No Frioo“ jedoch vor Verspieltheit und Vitalität. Davon ist auf „Máquina de Vénus“ wenig übriggeblieben.  

Dunkle Tänze

Mit einzelnen hallenden Drums wie ferne Explosionen und einem hysterisch kreischendem Noise beginnt es. Daraufhin schleppende Beats begleitet von geisterhaft tönenden Sirenen, alles durch einen tiefdüsteren Filter gezogen. „Terror“ heißt dieser erste Track des Albums. Die Richtung ist vorgegeben.

Die getragenen Beats und gespenstisch aufpoppenden Synthies prägen den Sound des sensationell dichten Albums. Melodien wie in „Tchilling District“ oder dem finalen „Africanalidade“ kommen in der erzeugten Dunkelheit immer wieder vom Pfad ab, verlaufen sich permanent. Die afrikanischen Einflüsse bleiben währenddessen unverkennbar. Doch die wilden, schroffen Rhythmen und rasselnden Percussion-Sounds auf „Obscuro“, „7even“ und „Bubadagash“ verlieren ihren Sinn in der synthetischen Techno-Welt. „Máquina de Vénus“ ist eingesperrter Tanz. Lockdown-Tanz.

Kolt, von dem sechs der acht Stücke stammen, und seine Co-DJs haben Musik für das Jahr 2020 kreiert: beklemmend und klaustrophobisch. Lyrics brauchen sie dafür nicht. Was ein Crossover aus moderner und traditioneller Musik sein mag, klingt hier eher wie der Untergang Letzterer. Die expressive Kraft dieses scheinbar kleinen Albums ist enorm.

Empfehlung: Neben dem Album lohnt sich auch ein Blick auf das Schaffen von Márcio Martos, der sich für die Artworks beim Principe-Label verantwortlich zeichnet und die LP-Cover der Veröffentlichungen sogar handbemalt. Wie im Batida-Sound vereinen sich in Martos´ Stil primitive Elemente und Pop-Art.